EckDays 2013

Am Mittwoch gegen 23.00 Uhr stehe ich vorn an der Straße, mit Seesack, Gummistiefeln, Proviant und Kaffee schon getankt. Müde, obwohl ich mich extra noch kurz hingelegt habe. Am Ende der Straße tauchen zwei Scheinwerfer auf – Gerhard kommt und holt mich ab.

Er war noch in einem Konzert, hat seine Frau nach Hause gebracht und jetzt starten wir in Richtung Eckenförde, Segelclub. Das Navi zeigt an, dass wir voraussichtlich um 7.38 ankommen werden.

Durch den Regen nordwärts, zwischendurch Pausen zum tanken – Benzin und Kaffee – und zum Fahrerwechsel, die Kasseler Berge mit ihren Kurven, in der Mitte reiht sich eine Baustelle an die nächste, irgendwann wird es anstrengend, die Spur zu halten vor lauter Regen und gelben Lichtern, die im Dunkeln ihre dreidimensionale Bedeutung kaum vermitteln. Gegen fünf wird es schon heller, dann wird es flacher und die Autobahn wirkt plötzlich großzügiger. Im Sonnenaufgang hinter dem Nebel nochmal einen Kaffee und ein Croissant, dann geht es durch dampfende Wiesenlandschaften, immer mehr Windräder neben der Straße und schließlich Hamburg, der Elbtunnel. Um 7.38 fahren wir in Eckernförde am Segelclub auf den Parkplatz. Das Navi war wirklich präzise.

In der Luft und auf den Booten sind noch die Spuren von regnerischem Wetter zu sehen, doch alle versprechen uns: es wird aufklaren. Und ein Frühstück, das die Seglerfreunde für uns organisiert haben, bringt uns wieder auf die Beine.

Fritze sei dank!

Für den Donnerstag und Freitag haben Fritz Schaarschmidt und Sönke Durst ein Ranglistentraining organisiert. Zusammen mit Elly und Gerhard bin ich auf der „ Sinus“ von Dieter Pohlmann auf dem Wasser unterwegs. Wir üben Starts, Trimm, Steuern, Tonnenrunden und was zu erfolgreichem Regattasegeln sonst noch dazugehört. Am Anfang sind wir gar nicht schlecht – aber mit der Zeit spüre ich immer mehr, dass ich in der letzten Nacht einfach zu wenig geschlafen habe….
Anders als erwartet falle ich aber trotzdem nicht sofort nach dem Festmachen am Steg in einen komatösen Schlaf, sondern bin noch mit Yvonne auf der Suche nach ein paar anderen Eckernfördern in der Stadt unterwegs. Und obwohl ich ein bisschen später in der Bergstraße nur kurz den Autoschlüssel von Gerhard holen will, um zu meinen Gastgebern zu fahren, dauert es dann noch länger als eine Stunde, bis ich im Bett liege…

Der nächste Tag bringt frischen Wind. Und neue Herausforderungen. Die Bahn ist plötzlich so kurz. Klar, das macht schon Sinn, wenn man eigentlich Starten und Runden trainieren will, aber trotzdem… es macht die Sache auch irgendwie ein bisschen hektisch. Haste dich kaum vor die Fock auf die Bugspitze gesetzt, musste schon wieder nach hinten rennen… Es ist ein bisschen wie Kniebeugen machen. Gerhard stellt mehr als einmal fest, dass die Erfahrungen eines Vorschiffsmannes für ihn völlig neue sind. Bei einer unserer Halsen wird Elly von der Großschot Gerhard sozusagen in den Arm geworfen, aber er hat sie irrtümlich mit dem Kopf aufzufangen versucht… doch außer einer Prellung der Nase ist zum Glück nichts passiert. Elly braucht nur einen benommenen Moment, bis sie wieder einsatzfähig ist. Mit einem leichten Gefühl von Chaos an Bord fahren wir am Ende des Tages zurück in den Hafen.

Am Abend findet bei Schaarschmidts in der Bergstraße der Flottenabend statt.
Die Bude voll, die Stimmung gut, der Ofen schön warm, das Essen lecker – so „unkompliziert“ und „entspannt“, wie Perdita die Organisation beschrieben hat, kann es gar nicht gewesen sein, es sieht alles sehr klug arrangiert und sorgfältig vorbereitet aus. Und der Plan ist voll aufgegangen. Man kann richtig spüren, wie die Leute sich wohlfühlen. Morgen werden Gerhard und ich bei Sönke Durst auf der „Hasta la vista“ mitsegeln. Da wir mit Sönke keine Verabredung getroffen haben, müssen wir versuchen zu schätzen, wann wir am Hafen sein sollten; Ergebnis: der erste Start ist um elf – also um halb zehn?
„Der frühe Vogel fängt den Wurm!“ – vielleicht ist das einer der wichtigsten Hinweise für Erfolg auf der Bahn, wer weiß… Jedenfalls: ich sitze um kurz vor neun beim Frühstück, als Gerhard mir am Telefon mitteilt, was er von Fritz erfahren hat: Sönke sei „einer von der frühen Sorte“. Und schon zehn Minuten später gibt er mir noch eine Instruktion, wo ich so schnell wie möglich auf dem direkten Weg knapp vorn Liegeplatz hinfahren soll. Und als ich, nach unserem selbst gestrickten Zeitplan noch relativ korrekt, schwungvoll einparke, stehen die beiden Männer schon fertig aufgetakelt mit den Festmachern in der Hand da und kaum bin ich an Bord, werden die Leinen losgeworfen.

Die Rollen werden verteilt, wir lernen so schnell wie möglich Sönkes Layout auswendig (bei uns auf den Booten sind die Reihenfolgen und Farben ganz anders) und konzentrieren uns auf die bevorstehenden Herausforderungen. Obwohl Sönke erklärt hat, die Taktik des Tages sei es, möglichst früh auf den Anlieger zur Tonne zu gehen, um Situationen zu vermeiden, die ein eingespieltes Team erforderlich machen würden, kommt es dann doch mitunter anders. Aber wir kriegen es insgesamt ganz gut hin. Ein elfter, ein vierter und ein neunter Platz. Fünfter in der Tageswertung, ausbaufähig, aber auch kein totaler Reinfall.

Das einzige, höre ich Sönke abends sagen, was ihm Sorgen macht, ist eine Auseinandersetzung zwischen den beiden Favoriten um den blauen Knopf im Segel. Eigentlich geht das ja nur die beiden das etwas an, aber der eine habe wohl angekündigt, wenn der andere seinen angekündigten Protest einreiche, werde er in der Ausschreibung so lange nach einem Formfehler suchen, bis er einen gefunden habe, mit dem sich die ganze Wettfahrtserie annullieren ließe….
Als wir vom Bodensee mit einigen Gastgebern und Organisatoren später in der „Fisch Deel“ sitzen hat sich die Lage aber auch schon wieder entspannt. Zumindest bei uns. Wir genießen Kostproben der regionalen Spezialitäten, erzählen uns gegenseitig Witze im jeweiligen Dialekt und graben alte Anekdoten aus, die die Beziehungen zwischen Eck und dem Bodensee in den letzten zwanzig Jahren hervorgebracht haben. Auch das gehört zu den Momenten, in denen so ein richtig echtes Gefühl von Urlaub den Raum durchflutet, auch wenn es nur vier Tage sind…

Am nächsten Morgen (wir haben gelernt! Gerhard und ich stehen um 8.30 auf der Matte) geht es in die letzten beiden Wettfahrten. Ich darf vermutlich ohne falsche Bescheidenheit sagen, dass mir an diesem Tag die entscheidende Rolle zufällt, die uns endgültig nach vorne fährt: der Gewichtstrimm. Ich nehme das Ergebnis am besten vorweg: wir sind erster und sechster geworden. Wie genau wir das geschafft haben, weiß ich leider nicht genau, weil ich die meiste Zeit unten in der Kajüte neben dem Mast saß und – eben naja. Gewichtstrimm halt. So viel kann ich zumindest sagen: Man kriegt von dem, was im Feld so los ist, kaum was mit. Aber vermutlich haben die Segel, die auf der „Hasta la vista“ angeschlagen waren, auch ihren Teil dazu beigetragen und Sönke und Gerhard haben wohl auch noch die eine oder andere richtige Entscheidung getroffen, taktischer Natur.

Jedenfalls hat uns der zweite Tag in der Gesamtwertung noch zwei Plätze nach vorne gebracht. Gerhard und ich gehen bei Sönke von Bord mit dem Gefühl, dass wir uns zumindest so anständig geschlagen haben, dass er sich wohl nicht geärgert haben wird, uns an Bord genommen zu haben.

Sönke, an dieser Stelle nochmals danke für eine super Regatta, immer gute Stimmung und viele Anregungen. In Zukunft werde ich den Fockbaum auch so am Segel anschlagen wie du!

Und dann heißt es wieder Abschied nehmen, bis nächstes Jahr.
Das Navi zeigt an: wenn auf der Straße alles läuft, werden wir um 2.53 zu Hause sein.

Erika Beyerle
F GER 220 „Bacchus“