OSTSEEREISE 2022 – SOLVEJG SUI 40 – letzter Teil

Nothafen Darsser Ort – Gedser

Der anfänglich noch gute Wind nach dem Auslaufen in Barhöft flaut nach dem Mittag kontinuierlich ab und liefert uns am Nachmittag das legitime und gerechtfertigte Argument, um im Nothafen Darsser Ort festzumachen: «Bei den Windverhältnissen ist es aus sicherheitstechnischen Gründen unverantwortlich, mit unsern schwachen Aussenbordern das Verkehrstrennungsgebiet zwischen Darss und Gedser zu überqueren». Klingt doch gut, ist zwar auf dem Mist von «Kleiner Blaupfeil» gewachsen, aber es überzeugt uns als wasserdichte Rechtfertigung. Vor der Hafeneinfahrt patroulliert nämlich ein Boot der Küstenwache und in diesen Situationen bin eher ich derjenige, der nervös wird. Als die Küstenwache dann abzieht und wir feststellen, dass deren Aufmerksamkeit nicht uns gegolten hat, bin auch ich wieder beruhigt.
Unmittelbar vor uns fährt der Seenotkreuzer «Nis Randers» mit einer Yacht im Schlepp auf die Hafeneinfahrt zu und überlässt da den restlichen Schleppdienst in der beengten Einfahrt seinem Tochterboot «Uwe» (nach der Ballade von Otto Ernst müsste es eigentlich das Bruderboot «Uwe» heissen…). Während wir das Ende dieses Schleppmanövers abwartend vor der Einfahrt Kringel drehen, erlangt die Steuerbordtonne «Darsser Ort 1» den Titel «Meist fotografierte Tonne der Ostsee».
In dem auf wenige Anlegemöglichkeiten reduzierten Hafen sind wir natürlich nicht allein. Aber getreu dem Motto «Für zwei Folkeboote findet sich immer ein Platz» machen wir auch hier fast im Schilf fest. Damit das auch klappt, müssen wir wegen eines Kabels nur den Achterstag aushängen.

Bernd hat nicht zu viel versprochen, dieser Hafen hat schon eine ganz spezielle Faszination. Irgendwie schwingt über alledem aber auch das Gefühl mit, dass dies die letzte Saison gewesen sein könnte, in der die Einfahrt möglich war. Wir werden sehen.
Leider ist der Leuchtturm Darsser Ort sonntags und montags für Besucher geschlossen. Schade, wir hätten ihm gerne einen Besuch abgestattet.

Fast als Letzte, aber laut Hafenmeister gerade noch rechtzeitig, legen wir am nächsten Morgen ab, denn gewisse Wettermodelle sagen Gewitter, Regen und Sturmböen für den späteren Nachmittag voraus. Wir schaffen es aber trocken und wohlauf bis Gedser. Erst am Abend sind wir froh, die Kuchenbuden aufgebaut zu haben, weil es zu regnen anfängt.

Gedser ist jetzt nicht gerade die Traumdestination um zwei Tage im Hafen eingeweht zu sein, aber der Starkwind der folgenden Tage lässt uns gar keine andere Wahl. Der kulinarische Höhenflug, den dieser Ort uns zu bieten hat, ist ein selbstgefundener Riesenbovist, dessen Geniessbarkeit durch «Millers Pilz-Fernerkennungsdienst» bestätigt wird und den uns Bernd mit Zwiebeln und Butter zu einem leckeren Nachtessen zubereitet.

GuldborgSund – Smålandsfahrwasser

So, wie wir die Segel setzen und Richtung Guldborgsund ablegen, fühlt es sich für mich wie ein Befreiungsschlag an. Die zahlreichen Wenden, die notwendig sind, verstärken den Genuss dieser Landschaft nur noch mehr. Wir haben zwar einmal vereinbart, dass wir nichts erzwingen und keine langen Strecken gegenan fahren wollen, aber hier machen wir gerne eine Ausnahme. Der Motor kommt dann, ausser für die Brückendurchfahrt der Kong Frederik d. IX’s Bro, auch nicht zum Einsatz. Die Schläge auf der Kreuz möglichst auszureizen, macht mir so viel Spass, dass ich kaum bemerke, als wir mit der «Solvejg» die Autobahn E47 überqueren.

Als wir in Guldborg im Hafen anlegen, schlägt uns eine derartige Willkommens-Atmosphäre entgegen, wie man sie wahrscheinlich nur auf dem Folkeboot kennt. Ein sehr freundlicher Herr, den wir anfänglich für den Hafenmeister halten und den sie hier «Bo» nennen, erklärt uns nicht nur die Infrastruktur des Hafens und dass praktisch alles im Hafengeld inbegriffen sei, sondern nachdem er geklärt hat, dass wir gerne Fisch essen ruft er auch gleich den Fischer an und sagt ihm, dass es Kunden im Hafen gibt, welche Fisch kaufen möchten. Unser Nachtessen ist wieder einmal in trockenen Tüchern.
Nebenbei vernehmen wir von einer Crew, welche mit ihrer 40-Fuss Yacht wegen eines Motorschadens mitten in der Brückendurchfahrt, seit einer Woche hier in Guldborg festliegen, dass diese von ebendiesem «Bo» jegliche erdenkliche Unterstützung erfahren haben.

Unser nächster Schlag wird ein kurzer werden. Schon in Darss wurden uns die beiden Inseln Femø und Fejø empfohlen. Die Frage ist nur, welche wir jetzt als unser nächstes Ziel ins Auge fassen sollen, denn für beide reicht die Zeit nicht. Als wir uns Rat bei einheimischen Seglern holen, stellt sich heraus, dass der Dybvig Havn auf Fejø zwar sehr schön sein soll, aber dass die Chance auf einen freien Hafenplatz sehr klein ist. Als schliesslich «Bo» zu dieser Diskussion dazustösst, empfiehlt er uns, nach Dybvig auf Fejø, die Apfelinsel zu fahren, er sei an diesem Wochenende auch da. Und wen wunderts: als wir in Dybvig ankommen, steht einer vor dem scheinbar vollen Hafen winkend da und weist uns eine Box zu, in welcher mit gutem Augenmass zwei Folkeboote nebeneinander reinpassen.

Die Insel Fejø ist wirklich sehr zu empfehlen. Mit gemieteten Rädern erkunden wir am nächsten Tag die Umgebung und stossen überall auf sehr freundliche Leute. Beatrice und ich degustieren den Fejø Cider, eine Köstlichkeit, wie wir finden. Am Strand gönnen wir uns eine Abkühlung und kehren erst am Abend zu unseren Booten zurück.

Übrigens, es ist Samstagabend und für uns ist es unglaublich, aber im Lauf der nächsten Woche werden wir unsere Heimreise antreten müssen.

Der Hafen hat sich in der Zwischenzeit total gefüllt und ohne, dass das eine oder andere Dickschiff vorher verholt wird, werden wir morgen nicht so früh ablegen können, wie wir das gerne möchten. Denn eigentlich heisst unser nächstes Ziel Albuen… Der Skipper, welcher mit seiner Yacht direkt hinter uns liegt, meint, dass wir bei den Windprognosen mit unsern Folkebooten am nächsten Tag sowieso nirgends hinkommen würden und dass er am Morgen nicht vor 10:00 Uhr den Platz freimachen könne. Zudem müssten auch noch weitere Yachten verholt werden. Uns bleibt nicht viel anderes übrig, als das zu akzeptieren, schliesslich wollen wir ja auch keinen Aufstand machen.

Am Sonntag verlassen wir Fejø dann um 09:40 Uhr. Anfänglich sieht es tatsächlich so aus, als würden wir es maximal bis Kragenæs den etwa 4.5 Seemeilen entfernten Hafen auf Lolland schaffen. Bernd und ich geniessen bei der Flaute sogar noch eine Abkühlung und ich reinige bei der «Solvejg» den Wasserpass mit dem Schwamm. Wegen einer sich nähernden Fähre müssen wir wieder einsteigen und wenige Augenblicke später frischt der Wind so auf, dass wir flott weitersegeln können.

Wir schaffen es zwar nicht bis Albuen, aber wir haben uns in der Zwischenzeit für den Ausweichhafen in Tårs entscheiden. Bei einsetzendem Regen machen wir schliesslich in diesem ansprechenden Fischerhafen fest, ansprechend deshalb, weil wir eine geöffnete Tür zu einem liebevoll eingerichteten Seglerraum mit Kochmöglichkeiten und eine einfache, aber saubere Infrastruktur mit allem notwendigen vorfinden.

Albuen – Grossenbrode

Der nächste Tag bringt uns an den Ort meiner Träume. Es ist keine grosse Strecke, aber sie erfordert Sorgfalt und Wahrschau und wir fahren vom Ablegen bis zum Festmachen unter Segeln, den letzten Teil hart am Wind auf dem Tonnenstrich. Aber seit Barhöft wissen wir ja, wie das geht. Am arg ramponierten Steg in Albuen legen wir an. Während bei uns zu Hause der Nationalfeiertag stattfindet, geniessen wir diesen schönen Abschluss unserer bald zu Ende gehenden Ostseereise. Schöner hätte ich es mir nicht vorstellen können und für alle die Stimmungen, die wir da noch mitnehmen, fehlen mir die Worte.

Am späteren Abend, kurz bevor wir uns in unsere Kojen zurückziehen, gesellt sich noch ein drittes Folkeboot zu uns, eine Familie aus Rostock.

Nach einer kurzen Nacht setzen wir in der Früh ein letztes Mal auf dieser Reise möglichst geräuschlos die Segel und legen ab, nehmen Abschied von einem Hafen, den ich nun zu den schönsten Dänemarks zähle und machen uns auf die Reise nach Grossenbrode. Der Wind ist wieder einmal sehr unstet, wir segeln unterschiedliche Routen. Doch im Fehmarnsund treffen wir fast zeitgleich aufeinander und danach liegen wir zusammen in der Flaute. Wir haben noch ca. 18 Seemeilen vor uns und natürlich ist uns klar, dass wir nur gemeinsam ankommen wollen. Keiner unserer beiden Aussenborder ist im Stande, den andern über die ganze Strecke ins Ziel zu schleppen und so wird dieser letzte Streckenabschnitt zum Sinnbild für die ganze Ostseereise: ohne ein ordentliches Miteinander, ohne dass der eine den andern unterstützt, hätten wir es nicht geschafft. Manchmal ist diese Unterstützung etwas unausgeglichen, allzu oft ist sie von der «Kleiner Blaupfeil»-Crew viel grösser. Wir können nicht mehr tun, als uns dafür nur herzlich zu bedanken.

Kurz vor Grossenbrode, nach der Fehmarnsundbrücke frischt der Wind noch einmal auf und wir können bis zum Hafen unter Segeln weiterfahren. Diese Einfahrt hat es allerdings in sich: im Dunkeln ist es recht schwierig, die Tonnen auszumachen, von den Ankerliegern ohne Ankerlicht gar nicht zu sprechen. Um 23:20 Uhr machen wir am Liegeplatz beim Kran in Grossenbrode fest. Der Liegeplatznachbar, der uns vor fast sechs Wochen schon den Schlüssel für die Schranke bei der Hafeneinfahrt geliehen und uns auch sonst sehr freundlich unterstützt hat, nimmt unsere Leinen an und heisst uns zu später Stunde im Hafen willkommen.

Heimreise

Am nächsten Tag klaren wir die «Solvejg» auf. Fred, der Hafenmeister muss etwas länger warten, bis wir mit allem so weit sind, aber schliesslich hängt die «Solvejg» am Haken. Ob sie die Reise so genossen hat wie wir? Ich weiss es nicht, aber ich denke schon.

Später als sie auf dem Trailer liegt, und wir im Stau auf der A7 stehen, kurbelt eine Frau auf der Fahrbahn neben uns das Fenster runter und ruft zu uns herüber: «Ein Schmuckstück haben sie da hinten angehängt». Das finden wir auch. Wir möchten kein anderes Boot.

Von Isolde und Bernd haben wir uns in Heiligenhafen verabschiedet. Es war kein Abschied unter Tränen, weil wir wissen, dass wir uns am Bodensee bald wiedersehen werden und weil wir über das gemeinsame Erlebte einfach nur glücklich sind. Ich vermute beinahe, dass alle Beteiligten insgeheim auf eine Wiederholung hoffen. Was mich ganz besonders freut: noch auf der Heimfahrt bestätigt Beatrice meine Vermutung für ihren Teil.

…. Das war nun der Schluss einer langen, erlebnisreichen Reise

Ruedi und Beatrix Wüthrich

Bilder zu der Reise findet Ihr in der Galerie