INTERNATIONALES TEAMRACING: LAUTE FLAUTE AM LAKE BOTTOM

– POWERED BY STEFAN ZÜST

Wer geglaubt hätte, dass ein Nordisches Folkeboot – oder das mit seinen rund 2000kg Langkieler-Eigenschaften in der Rennyacht-Szene liebevoll bezeichnetes ‚Vollkornboot‘, in schwachen Winden nicht zu bewegen sei, sollte sich getäuscht sehen – das traditionelle Team Race, ausgetragen zwischen Vereinsmitgliedern des Royal Northern & Clyde Yacht Club (RNCYC) und den deutschlandweit aus bis zu 1000 km angereisten Mitgliedern des Freundeskreises Klassischer Yachten (FKY), konnte in 5 Wettfahrten, verteilt auf zwei windmagere Tage entschieden werden.

Es war ein echtes Fest der Begegnung, der Hilfsbereitschaft und der Freundschaft – fast wie die Kernbotschaft des Freundeskreises, die sich auch im Format des Teamracings wiederfinden lässt und hergebrachte Gedanken wie „Ich muss das Boot schneller steuern, ich muss bessere Entscheidungen für mich treffen – mein Boot muss schneller werden“ weit in den Hintergrund befördern. Zugunsten nämlich den Entscheidungen, welche sich nicht nur um die eigene Bootsposition, den eigenen Bootstrimm drehen, sondern die Teammitglieder betreffen, die sich in schwierigen Situationen der Konfrontation mit dem gegnerischen Team befinden und kurz: Entscheidungsergebnisse, die aus vielen verschiedenen Ankerpunkten über den Bootsrand hinaus verknüpft werden. Umsichtiges Mitdenken und seemännisches Mithelfen ist die Devise – und, ganz berechnend: Was kann ich noch beitragen, um den korrekten Punktestand für das ganze Team zu ersegeln?

Obwohl die Regeln für die mittlerweile dritte akzeptierte eigenständige Disziplin im     Segelsport, des TEAM RACE schon über hundert Jahre alt sind und bereits 1921 im British American Cup Anwendung fanden, ist es für unsere Teilnehmer nach wie vor eine Herausforderung zu berücksichtigen, dass das Team mit 17 oder weniger Punkten immer gewinnt, allerdings bei Punktgleichheit nur das Team gewinnen kann, welches nicht den ersten Platz belegt hat. Dieser Umstand, der auf dem Wasser schon fieberhaft in die Kalkulation einfliesst und spontan über weitere strategische Manöver entscheidet, lässt sich im Ergebnis auf dem Portal Manage2Sail nur mit diesem Hintergrundwissen erfolgreich interpretieren.

Die fast schon stürmische Hilfsbereitschaft für das jährliche internationale Begegnen unter Segeln hat die Folkeboot-Flotte des Bodensees aus mehreren Vereinen nach dem entspannten Empfangs-BBQ (Danke an Stefan Züst für die hervorragenden Würste!) gleich in mehrfacher Hinsicht gezeigt: Die Teamracer beider Teams, waren den Bedingungen der tückischen See-Leichtwinde, den Monsterwellen im Stakkato dicht vorbeifahrender Motorboote und der gnadenlosen Sonne auf den ihnen völlig unbekannten Booten ausgeliefert – wenn nicht die wunderbaren Ratschläge der mitfahrenden Bootseigner aus der Bredouille geholfen hätten. Manche mit solch patent-technischen Vorrichtungen an ihren Booten, dass sie gar Tränen der Bewunderung hervorriefen.

Wenn es jedoch beim Team Race also mehr um das Einwirken von Regeln auf den Gegner geht, als um den eigenen Zieldurchbruch, lässt sich lautstarkes Intervenieren in den ‚proper course’ der anderen nicht vermeiden, geht es doch auch um das korrekte Anzeigen von rechtlich-relevanten Manövern. Dies, wie auch das kontra-intuitive Zurücksegeln vor der Ziellinie, lassen weniger Team-Race-Beflissene eher rat- und machtlos dem Geschehen folgen. Was machen die da? Wäre es nicht besser gewesen den direkten Weg zur Tonne anzupeilen? Warum der Schlenker in die Konfrontation? Ist das nett? Wird mein Boot darunter leiden?

Obwohl sich dankenswerterweise insgesamt acht Bootseigner den Sprung ins kalte Wasser getraut hatten um den vermeintlich rabiaten Teamracern mit dem merkwürdigen Format mit ihren besten Stücken zur Seite zu stehen, waren es nur Minuten vor dem Start im Hafen der Kressbronner Segler plötzlich nur noch sieben – aufgrund eines medizinischen Notfalls. Starke Nerven bewies das Wettfahrtkomitee WFK, technisch unterstützt vom Match Center Langenargen und unter der Leitung von Race Officer: Jürgen Graf zusammen mit Andreas Duelli das unter Einsatz von Elly Kaspar, Organisatorin des Bodenseeteams in Windeseile ein weiteres Boot hervorzaubern konnte und das dann kurzerhand von Rumpfbewuchs befreit zur glücklichen Ergänzung der Flotte bereitgestellt wurde – ein tosender Applaus an diese wahrlich unerschrockene Eignergemeinde!

Am zweiten Tag, nach wunderbarer Bewirtung (Formal Race Dinner) am Vorabend im Württembergischen Yacht-Club (WYC-FN), Clubhaus Seemoos zwischen traditionellen Dirndln und Kilts wurde auf dem Wasser auch deutlich, wie sich bereits die blauen und grünen Gruppen unterschiedlicher Heimat schon des überwiegend freundschaftlich – bestimmten Tons miteinander bedienen – und dennoch erschrockene Gesichter bei den Gastgebern des Kressbronner Clubs hervorriefen; denn was, wahrscheinlich auch dem drückend warmem Wetter geschuldet, auf dem Wasser weniger lautstark ablief, zeigte sich optisch eher dramatisch an den vielen roten Protestsymbolen unterschiedlichster Textur auf praktisch jedem Boot.

Offenbar ein seltenerer Vorgang am gemütsvollen Bodensee, denn manchmal musste in Ermangelung der vorgefertigten Flagge an Bord auch ein rotes Handtuch oder die leuchtende Badehose aushelfen.

Wie wichtig der Weg zum Ziel  für das Ergebnis verantwortlich ist, zeigt sich wie im echten Leben auch hier – während die Proteste des Vormittags sich am Stammtisch bei herz- und schmackhaftem Käse von Stefan Züst (holzbau.ch) besprechen ließen, war am Nachmittag eine echte Verhandlung unter Einwirkung von Zeugen erfolgt. Am Ende entschied der Punktestand erst nach Protestverhandlung über den Sieger, so dass die ersegelten Punkte für das deutsche FKY Team sich historisch knapp mit 92 zu 90 in den Vorteil für das schottische nach Protest verwandelten.

Ein wahrlich freundlich-warmes Wochenende: Während sich Segler und Bodenseebesucher von Festland und Insel von der warmherzig wogenden Begeisterungswelle gerne anstecken ließen, segelten die Teams mit unaufhaltsamem Sportsgeist um das ständige Ermitteln der eigenen, teameigenen und teamfremden Stärken und Schwächen hitzig vor dem Ultramarin Hafen Meichle + Mohr in den mitunter praktisch windstillen wenn auch motorbootreichen Wogen des nun neugetauften „Loch Bottom“.

Krisha Paschen