2 Monate Auszeit mit dem Folkeboot – bis zur „Dark Side of the Moon“ – 4. Teil
Hier die letzten 10 Etappen….
Von Bernd und Isolde Miller.
- Hanö
Wir ziehen die Felsnägel, legen ab und kreuzen aus den Schären – was zum Teil furchterregend aussieht und mit Papierkarten kaum zu machen ist. Dann geht es hart am Wind auf einer Backe zur Insel Hanö. Die Einfahrt in den Hafen ist hoch am Wind nicht zu schaffen und die Welle ist für unseren Kurzschafter zu hoch. Also segeln wir erst vorbei, bergen die Fock, drehen um und halten mit Schwung auf die Luvseite der Einfahrtsmole zu. Mit Schwung um`s Eck, Groß auf den Reitbalken – geht doch! Hier bleiben wir für einen weiteren Tag. Lotta, die kleine, resolute Hafenmeisterin mit der „Marian Faithful-Stimme“ hat hier alles im Griff und liebevoll dekoriert. Sie lässt uns am nächsten Morgen an einen besseren Platz an Fingerstegen verlegen. Wir erkunden die sehenswerte Insel: Das Steinriff „Bonsäcken“, den höchstgelegenen Leuchtturm Schwedens (nur 17 m hoch, aber 60 m ü.Meer), der Friedhof aus Napoleons Zeiten, die riesigen Felsbrocken mit den „Räuberhöhlen“, die Hainbuchenwälder mit moosbedeckten Granitkugeln, Damwild, Wildschweinen und allerlei Kleingetier. Dazwischen vegetationslose Spülsaum-Kiesflächen.
- Kivik
Nach Phasen mit schwächelndem, später gutem Wind überfallen uns kurz vor der Hafeneinfahrt heftige Böen. Als wir mit beiden Booten an einer Heckboje und einem rot markierten freien Platz am Steg fest sind, erreicht der Wind Sturmstärke. Erst schimpft ein überängstlicher Motorbootlieger neben uns, dann sagt uns ein Vereinsmitglied, dass der komplette Hafen seit den Sturmschäden letzten Oktober gesperrt ist. Da offensichtlich niemand unseren Platz braucht und uns das Risiko, jetzt wieder rauszufahren zu hoch ist, gibt es Diskussionen. „The Sea is riski“ sagt man uns, aber wir bleiben, bis wir dann doch angeblich willkommen sind. Der Ort lohnt sich nur wegen dem tollen Fischladen und dem Königsgrab-Steinhügel.
- Kåseberga
Bei Sonnenschein und ablandigen 4 Bft segeln wir ohne Welle die Küste entlang an Simrishamn und Brantevik vorbei um das Kap am Leuchtturm Sandhammaren. Dann wird es gegenan bei hoher Welle ungemütlich. Die Bucht von Kåseberga mit dem weißen Silo an der Steilküste ist von weitem sichtbar. Wir müssen allerdings genau in Windrichtung rein. Der Hafen ist sehr intelligent angelegt, denn er hat direkt nach der engen Moleneinfahrt eine Ausbuchtung für die nächste Wende zum Reinsegeln in das halbrunde Hafenbecken – das macht Freude. Oben auf der Kliffkante bei der Wikinger-Schiffsetzung „Ales Stenar“ mit 60 „Hinkelsteinen“ begegnen wir zahlreichen unsensiblen Touristen, die diesem heiligen Platz nicht würdig sind. Daher stelle ich mir nächsten Morgen den Wecker und bin noch kurz vor Sonnenaufgang um 5 Uhr dort fast alleine und genieße die mystische Szenerie.
- Ystad (letzter Hafen in Schweden)
Bis der Wind uns am späten Vormittag abholt, segeln wir „dänisch“ mit Motorunterstützung. Aber dann geht es mit 5 kn nach Ystad. Wir passieren die riesigen Hafenmolen-Wellenbrecher und segeln bis zu unserem Steg. Ein Besuch im legendären Ystad-Schiffshandel ist ein Muss. Das einstige chaotische Sammelsurium von allem, was für die Seefahrt nützlich ist, ist einer gewissen Ordnung gewichen, ohne den alten Charme ganz zu verlieren. Wir machen einen großen Stadtbummel und besuchen unter anderem die köstliche Glassmakeriet (Eismacher) und den Brauerei-Biergarten in der Långgatan.
- Schaprode (Rügen)
Der Wecker klingelt noch vor 4 Uhr, weil der geplante Weg nach Hiddensee für den vorausgesagten wenigen Wind mit über 60 sm weit ist. Da wir keine Lust haben, stundenlang im Hafenbecken rumzudümpeln, starten wir erst mal unter Motor, den wir dann mehrfach ein- und wieder auspacken. Erst um 9 Uhr holt uns ein 3-Bft-West ab. Dann verschwindet die schwedische Küste hinter der Kimm und für eine Zeit lang ist kein Land mehr zu sehen, bis Bornholm querab im Osten in Sicht kommt. Später begegnen uns zahlreiche Fähren und Frachter. Einmal sind 6 große Schiffe gleichzeitig zu sehen, Dann hilft nur Peilung aufnehmen und beobachten. Wir kommen ungeschoren durch, aber Ruedi und Bea müssen zweimal ausweichen. Mittags kann man am Horizont erst Kap Arkona auf Rügen, dann Hiddensee erkennen. Wir rufen den Hafenmeister von Kloster an, der uns wegen Überfüllung auf den nächsten Tag vertröstet – und Schaprode empfiehlt. Wir schaffen es zunächst, die 30 m breite Rinne gegen den Wind hochzukreuzen, aber bei Gegenstrom und Schiffsverkehr kommt dann doch der Außenborder zum Einsatz. In Schaprode quetschen wir uns mit beiden Booten in einen Liegeplatz, was den Hafenmeister erfreut.
- Kloster (Hiddensee)
Nach einem Bad im Schaproder Strom mit gut über 20° Wassertemperatur segeln und motoren wir die betonnten Wege nach Kloster und besuchen hier die Sabine Knegendorf, die den Folkeboot-Regattaseglern bekannt ist. Auch den nächsten Tag verbringen wir mit Baden und Spaziergängen mit unserer ortskundigen „Reiseführerin“ Sabine.
- Stralsund
Bei W-NW 1-2 Bft gehen heute alle Tonnenwege unter Segel. Dabei kommen uns die Regattasegler vom „Blauen Band um Hiddensee“ entgegen. Besonders beeindrucken uns die zahlreichen wunderschön hergerichteten Zeesboote. Dann segeln wir in das Stralsunder Fahrwasser, wo die historische Altstadt ist von weitem zu sehen ist. Der Hafen ist groß genug, dass wir unter Segel einen Liegeplatz suchen können. Am Abend verbringen wir am Open-Air-Musikplatz in der Altstadt. Der Besuch am nächsten Tag im Ozeaneum ist genauso interessant und informativ wie erschlagend. Was mich geschockt hat: Für ein 100-g Krabbenbrötchen gehen 900 g Beifang über Bord! Später gibt es ein Sturzbach-Gewitterschauer und ich komme endlich wieder zum Logbuch Schreiben und Touren-Karte zeichnen. In genau einer Woche haben wir einen Krantermin in Lindau am Bodensee und fangen an, die verbliebene Zeit sinnvoll zu takten. Am Morgen beim Zähneputzen spricht mich jemand an: „ick glob, dir hab ick mal en Segel verkoft“ – Stefan Klabunde von der Flotte Berlin ist es, der mich aus früheren Reiseberichten in der FN erkannt hat. Er ist auf dem Heimweg vom Goldpokal und will auf dem Wasserweg über Swinemünde nach Berlin zurück.
- Lauterbach
Bei der Hafenausfahrt zeigt sich Stralsund bei Sonne und Wattewolken mit der Gorch Fock I, dem futuristischen Ozeaneum und den historischen Gebäuden von der Schokoladenseite. Unter der ersten Brücke können wir durchsegeln, bei der Klappbrücke müssen wir noch eine halbe Stunde kringeln und beidrehen, bis die Brücke ööffnet. Außer uns 3 Folkebooten – Stefan ist auch dabei – und einem IF-Boot fahren alle anderen 15 Schiffe unter Motor durch. Schon ist das „Brückenrennen“ eröffnet, bei dem wir am Ende vom Strelasund unter Stecken den Platz 4 (von 19) belegen. Solvejg ist hinter dem IF mit Spie auf Platz 2! Gegen Mittag segeln wir mit einem Schrick in den Schoten mit ablandigen 5 Bft am „Gelben Ufer“ entlang und können später unter Vollzeug in den geräumigen alten Handelshafen von Lauterbach einsegeln. Der direkte Übergang über die Schmalspur-Bahn vom „Rasenden Roland“ zu den Sanitärgebäuden der Jaich-Marina ist gesperrt, weil sich jemand hier einen Fuß verknackst hat und gegen die Betreiber klagt. Wer nicht über Zäune klettern will, muss einen großen Umweg laufen.
Am nächsten Morgen verabschieden wir in Traurigkeit Ruedi und Bea mit ihrer Solvejg, da ihre Urlaubszeit bald abgelaufen ist und sie sich auf den Heimweg machen. Bei totaler Flaute meldet Isolde uns zu einer Bootsfahrt mit Führung über die sonst gesperrte Insel Vilm an und wir werden für 25 € pro Person spontan noch mitgenommen. Die kompetente Führung im Biosphärenreservat ist äußerst beeindruckend. Für den Ministerrat der damaligen DDR wurden dort Ferienhäuser gebaut und die Ministerrätin Margot Honegger hat als „Strohmann“ auch eines belegt für ihren Staatsratsvorsitzenden Erich. Nach der Wende wollte die Treuhand alles versilbern, ohne mit dem Widerstand der Rügener zu rechnen. Die Spekulanten sind leer ausgegangen und dadurch ist nicht nur der 400 Jahre alte Baumbestand geschützt geblieben. Die Bäume mit unzähligen Habitatstrukturen sind erstaunlicherweise auch in den Wegebereichen nicht verkehrssicher kaputtgepflegt – sehr mutig!
- Thiessow
Erst am Nachmittag setzt der Wind ein und wir kreuzen mit dem vorgeschriebenen Abstand von 100 m an der Insel Vilm vorbei. Dann geht es Richtung Süd-Ost entlang der Steilküste Redwitzer Höft bis wir zur ausgebaggerten Rinne zum Zicker See Richtung Thiessow kommen. Wegen der zu erwartenden zahlreichen Wenden und der besseren Tonnenpeilung bergen wir die Fock und wagen den Versuch, in der nur 25 m breiten Rinne mit dem Wind direkt auf die Nase gegenanzukreuzen. Hurra, das klappt – ein Motorsegler und ein Motorboot winken wir im rechten Augenblick vorbei und kneifen uns hoch. Nach 39 Wenden kommen wir im Hafen an und finden einen Platz an der Pier. Später genießen wir den Sonnenuntergang auf der Mole – allerdings mit zweifelhafter Live-Musik vom Dorffest. Nächsten Morgen beim Bezahlen der Hafengebühr bekommen wir für zwei Nächte eine Kurkarte, mit der man kostenlos alle Busse benutzen kann – das vergrößert unseren Wander-Radius. Dabei besuchen wir den kilometerlangen Sandstrand mit wenig Besuchern, den Lotsenberg mit dem Aussichtsturm, den „Endhaken“, baden nochmal am einsamen Strand unterhalb der Klippen und fahren später mit dem Bus zurück zum Hafen.
- Greifswald
Bei unserer letzten Etappe kommt der Wind in der Hafenausfahrt wieder von vorn, aber es sind diesmal nur 26 Wenden bis zum Ende des Tonnenweges. Ein kleiner Holeschlag außerhalb der Tonnen im laut Navionics 5m tiefen Bereich wird sofort mit Grundkontakt quittiert. Der Wind frischt von 3 auf 5 Bft. auf und bläst aber ausreichend stark, um das Folkeboot mit 6 kn Rauschefahrt kerzengerade in Richtung unseres Ausgangs- und Endhafens zu bringen. Dazwischen passieren wir die West-Kardinaltonne „Großer Stubben“, die vor den meist trockenfallenden Steinen schützt. Hier sonnen sich bei normalem Wasserstand zahlreiche Robben. Von dem Vilm-Führer haben wir erfahren, dass die Ausflugsschiffe, die extra zur Robbenbeobachtung dort hinfahren, trotz des derzeit zu hohen Wasserstandes wider besseren Wissens die Touristen enttäuschen. Nach der Ansteuerungstonne „Greifswald“ segeln wir in den Strom durch das Schleusentor bis zur Klappbrücke. Die Öffnung ist zur vollen Stunde und wir motoren den Rest bei Gegenstrom bis zum Kranplatz des Marina-Yachtzentrums. Die Marina ist ein guter Tipp zum Einwassern und Fahrzeug-Parken. Der Service ist super, die Atmosphäre absolut entspannt.
Nächsten Morgen packen wir das Boot aus und legen den Mast selber mit unserem steckbaren Mastbock und der große Kran packt das Boot auf den Trailer. Vorher wird das Unterwasserschiff natürlich noch abgedampft, die Seepocken aus den Klinkerrillen entfernt und die Schürfspuren am Kiel begutachtet. Ja das gibt ein wenig Winterarbeit…Dann liegen nur noch knapp 1000 km Autobahn vor uns, bis wir zuhause sind und uns auf das Einkranen am Bodensee vorbereiten, um dort den Rest der Segelsaison zu verbringen – jetzt halt nur noch an den freien Wochenenden.
Bernd und Isolde Miller
F GER 998 Kleiner Blaupfeil