Erlebnisse und Ergebnisse vom Schlusslicht

Schlusslichtregatta der Nordischen Folkeboote Bodensee vom 4./5. Oktober 2025

Die Situation

Beobachtet Anfang Oktober im Konstanzer «Trichter»:

Drei Kursschiffe, eines davon ein restaurierter Raddampfer unter österreichischer Flagge, befinden sich im Seegebiet vor den beiden Häfen von Konstanz. Der Raddampfer «Hohentwiel» zeigt mit der Bugspitze Richtung Osten, die beiden anderen wollen offensichtlich in den BSB Hafen Konstanz. Die drei Fahrgastschiffe stehen sich damit sternförmig gegenüber und sind auffallend langsam unterwegs. Nicht, dass wirklich viel los wäre auf dem Bodensee an diesem Samstag den 4. Oktober. Es ist stark bewölkt, aber mit einer Höchsttemperatur von 21 Grad ausgesprochen warm für die Jahreszeit. Trotzdem haben sich an diesem Tag nur wenige entschlossen eine Schifffahrt auf dem Obersee zu unternehmen, denn die Ausläufer eines Ex-Hurricanes machen sich mit Starkwind und drohendem Regen in der Region bemerkbar. Dann: Die drei Fahrgastschiffe sind sich mittlerweile recht nah gekommen und mir scheint, sie bremsen noch weiter ab. Warum nur? Bis zum Hafen ist es noch ein gutes Stück. Da! Ein blaues, geklinkertes Boot flitzt von der Nordseite her, dem Teil von Konstanz, der auch das «Hörnle» genannt wird, zwischen den drei Kursschiffen durch! Einfach so, unverfroren und mit einer Bestimmtheit, als hätte es sowieso Vortritt! Es ist mir nicht bekannt, dass mal ein Kursschiff so vorausschauend für ein Segelboot die Fahrt gedrosselt hätte! Dachten sich die Kapitäne, wenn bei so einem ruppigen Wetter ein mit zwei Segeln bestücktes Boot durch die Wellen reitet, dann ist der Steuermann wohl verrückt oder zu sehr mit sich selber beschäftigt, um noch auf allgemeine Vorfahrtsregeln zu achten? Beim genaueren Hinsehen entdeckt man noch mehr Verrückte der gleichen Art, also insgesamt zwölf an der Zahl, dazu ein beflaggtes Startschiff, Bojenleger und die Seepolizei.

Wie es dazu kam

Wir hatten – wie elf andere auch – zur letzten Folkeboot-Regatta des Jahres 2025 am Bodensee gemeldet. Die Wettervorhersage für das Wochenende der Woche 40 liess aufhorchen. Für Samstagnachmittag waren 20 Knoten angesagt (würde ja passen!), in Böen 35 kn möglich (muss das sein?) Später dann in Böen auch 48 kn möglich. Echt jetzt?! Und für Sonntag sah es auch nicht anders aus. Blieb zu hoffen, dass dem Ex-Hurricane vor dem Wochenende noch etwas die Puste ausgeht. Denn es ist Regatta angesagt, wir haben gemeldet und dann geht man(n) und frau auch….

Mit einem etwas mulmigen Gefühl reise ich vom Schweizer Südufer an. Zum Glück sind wir nun doch zu dritt auf dem Boot, denn Christophs Tochter, die 16-jährige Franka, wird uns kurzentschlossen unterstützen. Die reich verzierte Villa Prym thront stoisch im Park über dem kleinen Hafen des Yacht Clubs Konstanz und lässt sich vom wilden Flattern der Segel nicht beeindrucken. Wir schaffen es problemlos aus dem Hafen. Kaum draussen, zeigt uns der Wind gleich mal was Sache ist. Wir haben uns mit Regenkleidung, Schwimmwesten, Mützen und Segelhandschuhen bestückt. Komme, was wolle, Regen ist ja als Zugabe auch noch angesagt und es formieren sich im SW schon dunkle Wolkenbänder. Wie sich später herausstellt, hält sich der Regen vornehm zurück, es tröpfelt mal zwischendurch, mehr nicht. Nass werden wir an diesem Tag trotzdem, von unten. Wir sausen hin und her, warten auf den Start, stellen unsere Segel auf Starkwind ein. Franka fragt dann mal, was die nun gesetzte Folkebootflagge zu bedeuten habe…. Hoppla, wir befinden uns schon im Startprozedere! Einen Schuss haben wir nicht gehört, waren wohl in dem Moment zu weit vom Startschiff entfernt. Doch man weiss es ja: Immer schön die Flaggen auf dem Startschiff beobachten und die wehen ja nun heute wirklich prächtig aus! Mit etwas «Verspätung» passieren wir die Startlinie, doch sind wir nicht die Einzigen, welche so spät dran sind. Anderen ist es wohl ähnlich ergangen. Nicht erstaunlich, dass wir so gleich bei der ersten Wettfahrt unser Streichresultat einfahren. Wenn es denn genügend Wettfahrten gibt, dieses Wochenende! Denn bereits bei der Start-Vorphase zur zweiten Wettfahrt leuchten die über das Ufer verteilten Warnanlagen mit 90 Umdrehungen, was am Bodensee einer Sturmwarnung entspricht. Mit anderen Worten: Es werden über 8 Bft erwartet und die Regatta wird auch sofort abgeschossen. Wir besprechen genau, wie wir es anstellen wollen bei so viel Wind sicher in unserer Box im Hafen zu landen. Wie sich herausstellt, ist hier eine gute Taktik schon die halbe Miete, bzw. der halbe Erfolg, denn wir schaffen es ohne Probleme zu unserem Liegeplatz. Es ist immer noch warm, wir sind sogar etwas ins Schwitzen gekommen. Die Kaltfront kommt erst noch. Vom Ufer aus bestaunen wir die hohen Wellen, die Böen und auch einen wagemutigen Kite-Surfer. Für heute findet nichts mehr statt. Die Sturmwarnung blinkt durchgehend.

Der Sonntag

Schon vom Morgen weg geht die Starkwindwarnung, also nur jene mit 40 Umdrehungen und da dürfen wir segeln. Wieder sind wir gut eingepackt, denn dieses Mal werden die Mütze und der Schal auch wirklich gebraucht. Die Kaltfront ist fühlbar angekommen. Heute sind wir rechtzeitig an der Startlinie, halten uns aber die Möglichkeit offen, das Rennen jederzeit abzubrechen, wenn uns das alles zu viel wird. Auf dem Wasser geht jetzt wirklich die Post ab! Für uns fühlt es sich allerdings nicht unbedingt nach weniger Wind an als am Vortag. Die Aufgaben sind verteilt. Franka und ich haben unsere Position auf dem «Hochsitz» eingenommen, abwechselnd bücken wir uns, um unter dem Baum hindurchzugucken, ob sich uns ein vorfahrtsberechtigter Gegner nähert. Die anderen Folkes zeigen uns entweder ihr mehr oder weniger sauberes Unterwasserschiff oder dann das Innenleben ihres Cockpits, über welchem meist drei, manchmal aber auch nur zwei Segler thronen. Die Böen sind so happig, dass die Pütting zeitweise zwei, drei Zentimeter unter Wasser steht. Beim Nachholen der Fockschot läuft mir zeitweise Wasser über die Hand. Schön warmes Wasser. Obwohl Sicherheit für uns oberste Priorität hat und wir dementsprechend segeln, schaffen wir es zu unserer grossen Überraschung als viertes Boot über die Ziellinie! Wir halten uns auch weiterhin die Option offen, abzubrechen, doch irgendwie scheint uns dieser vierte Platz beflügelt zu haben. Wäre doch irgendwie schade, jetzt aufzuhören und so segeln wir einfach weiter und schaffen es tatsächlich nochmals auf den vierten Platz. Mittlerweile haben wir uns etwas an die starke Krängung gewöhnt. Obwohl: Wenn ich so auf der hohen Kante sitze, frage ich mich schon manchmal, ob ich, wenn ich jetzt nach vorne fallen würde, überhaupt noch im Cockpit landen würde oder schon direkt im Wasser. Ich bin ja auch heilfroh, dass sich Franka beim Ausbaumen so gut hält. Ja hält! Hält von halten / festhalten. Ein Mensch-über-Bord-Manöver wollen wir heute keinesfalls ausführen!

Zwischendurch fällt uns einmal auf, dass sich nur noch zehn Boote auf der Regattabahn befinden. Später erfahren wir, dass bei einem der Grossbaum kaputt gegangen ist und beim anderen der Mast angerissen. Ja, nebst der Crew ist auch das Material gefordert bei diesen Windverhältnissen! Auch die dritte und letzte Wettfahrt des heutigen Tages segeln wir unfallfrei mit und landen auf dem sechsten Platz. Das Segeln in den Hafen klappt auch heute gut. Nun sind wir «gut müde», aber glücklich und stolz! Bei der Preisverleihung erfahren wir, dass wir mit der «Tjums» auf dem sechsten Schlussrang gelandet sind, was doch weiter vorne ist, als es sich unser Steuermann ursprünglich ausgemalt hatte.

Anmerkung der Redaktion – wer’s genau wissen will: https://www.manage2sail.com/de-DE/event/86bcd664-c971-438b-a9a7-c0b5df362cf7#!/results?classId=b44bda0f-a469-4fc3-93e1-1b73d1950353

Fazit

Segeln findet draussen statt, ist das Erleben von Natur(-gewalten), lässt einen Teamgeist und Hilfsbereitschaft erleben, erfordert Konzentration und Muskelkraft, fördert das Vertrauen in sich und in die zwei Tonnen unter sich, aber vor allem: Segeln macht so glücklich, dass ich nach so einem Tag vor lauter Glück kaum einschlafen kann!

Schlussbemerkung

Es gibt mehrere Folkeboote mit einem blauen Rumpf, wir waren’s nicht, die sich zwischen die Kursschiffe trauten!

Ich danke meinen Mitseglern Christoph Lukas und Franka Nunnenmacher herzlich für diese beiden erlebnisreichen Tage! Es war einfach toll mit euch! Ich freue mich schon aufs nächste Mal!

Yvonne Begré, F GER 1070, Tjums