Nachlese zur IDM

Nun ist sie vorüber, die deutsche Meisterschaft an unserem Revier – und die deutschen Meister stehen fest: Ulf und Dieter Kipcke und Gero Martens mit der „Ylva“, GER 739, haben ihren siebenten Titel eingefahren. Zum zweiten Platz gratulieren wir Andreas Blank, Svenja und Alexander Loerke mit „Second Hand“, GER 645, und zum dritten Udo Pflüger, Theodor Gringel und Jürgen Rieger mit „Mad Mongoose“, GER 905; beide Crews aus der Berliner Flotte.“

46 Boote waren nach Lindau gekommen, um die Internationale Deutsche Meisterschaft im 75jährigen Jubliäumsjahr des Bestehens der Nordischen Folkeboote zu einer denkwürdigen Regatta zu machen: so viele Teilnehmer waren es in den Jahren zuvor länger nicht mehr gewesen.

Als der Hafen am letzten Augustwochenende sich allmählich füllte, waren viele der von weither angereisten Segler nicht so sicher, ob sie die Entscheidung für die lange Reise nicht womöglich im Lauf der Woche bereuen würden – beim Einkranen kamen schon vereinzelt Sprüche, dass es schon mal genauso losgehe, wie man es erwartet habe: gut organisiert, schöne Landschaft, kein Wind.
Dass das so pauschal nicht ganz richtig ist, zeigte der See gleich am Sonntagmorgen: wer um sieben fit and ready  auf dem Steg stand, dem bot sich am Samstag und Sonntag früh der Rheintäler vom Feinsten: warmer Südwind, flaches Wasser mit leichten Schaumkronen, eine tolle Morgenstimmung. Alle, die das ausgenutzt hatten – etwa drei Stunden, bis um zehn konnte man noch segeln – saßen den restlichen Tag über wesentlich entspannter in der Flaute auf der Terrasse als die, die sich morgens früh nicht hatten aufraffen können zum Trainieren und Einsegeln. Als am Sonntagabend die offizielle Eröffnung abends ebenfalls bei drei Windstärken stattfand, waren die schlimmsten Befürchtungen ausgeräumt.

Am Montag war das erste Ankündigungssignal für 11.00 Uhr geplant, konnte aber nicht gegeben werden. Morgens früh hatte der Rheintäler wieder geblasen, war gegen halb elf eingeschlafen und dann herrschte erstmal Flaute. Doch am frühen Nachmittag kam eine leichte Thermik mit ausreichend Knoten aus West auf, die der Wettfahrtleiter Stefan Latzel sofort ausnutzte. Zwei Wettfahrten in der Wertung schon am ersten Tag – das war mehr als die meisten erwartet hatten.

Für Dienstag hatte er dann geplant, den Rheintäler zu nutzen, der die letzten drei Tage so schön zuverlässig geblasen hatte: das erste Ankündigungssignal wurde für 7.30 Uhr angesetzt – frühestmöglicher Zeitpunkt, wenn man eine Stunde fürs Bahnabsegeln, Vorbereiten und Einsegeln (und Wachwerden?) einplanen wollte, denn um halb sieben war es gerade mal hell. Doch ausgerechnet heute stand dem Kaltluftabfluss aus den Bergen eine leichte Ost-Strömung entgegen, so dass sich eine Stauwindlage bildete, in der sich keine der beiden Windströmungen durchsetzte. Doch Stefan Latzel gab nach einer Startverschiebung gegen Mittag noch das Signal zum Auslaufen: aus Südost hatte es sich stabilisiert. Wieder wurden 2 Wettfahrten gesegelt, wieder bei leichten Windbedingungen.

An beiden Tagen meldete die Kipcke-Crew schon deutlich Ansprüche auf den Titel an, mit drei ersten Plätzen in drei von vier Wettfahrten. Andreas Blank mit Svenja und Alex Loerke aus Berlin blieben ihnen jedoch auf den Fersen. Der Titelverteidiger Michael Fehlandt von der Entdecker und Seefahrer Fördervereinigung hatte letztes Jahr in Warnemünde bei Starkwind, hoher Welle und Strömung das beste Händchen – im Rheinmündungsgebiet bei wenig Wind, Welle und Strömung kam er nicht ganz so gut zurecht.

Am Mittwoch wurde das Experiment mit dem Frühmorgensstart nicht wiederholt – obwohl es dieses Mal geklappt hätte…. Leider setzte sich die Thermik aus Westen auch nicht stabil genug durch, um eine Meisterschaftswettfahrt damit zu fahren. Das Feld lief nach Niederholen von AP im Hafen zweimal aus, um draußen im Wettfahrtgebiet startbereit zu sein, die Schiffe fuhren auch dauernd – aber für eine Wettfahrt war das alles nicht stabil und flächig genug. So bildeten sich Schleppverbände an den Booten von Wettfahrtleitung und Jury in Richtung Hafen, die teilweise auch für genug Aufregung sorgten… Vom Ende her betrachtet könnte man sagen, am Mittwoch ging es nur darum, die Entscheidung AP über A so lange hinauszuzögern, bis der Grill warm war für die Currywürste, die die Berliner Flotte den Seglern und Helfern spendiert hat – die übrigens vorzüglich waren, vielen Dank dafür nach Berlin!

Was für Donnerstag und Freitag angesagt war, versprach ebenfalls spannend zu werden: eine Kaltfront von Westen, die Gewitterzellen, Regen und einen Temperatursturz von Mittwoch auf Donnerstag von 10, auf Freitag von 15 Grad mit sich bringen sollte. Die Wetterdienste waren sich im Prinzip nur darin einig, dass die Temperatur stürzen und Regen kommen würde. Darüber hinaus waren alle Standpunkte vertreten: gar kein Wind, moderater und stabiler Wind, Gewitterzellen mit Sturmböen und dazwischen wieder Flaute.

Am Tag bevor sie ankam, unkten viele rund um die Badestellen im Hafen noch, 21 statt 31 Grad würden ja eigentlich völlig ausreichen. Ja, es war heiß gewesen in den letzten Tagen – aber insgeheim hatten die meisten den Sommer doch genossen, vor allem das warme Wasser des Sees, der so zum Baden einlud.

Als es dann am Donnerstag tatsächlich kalt und nass wurde, fanden es viele dann doch ungemütlich. Es war das Wetter für die Segler von der Küste: rollende Welle und fünf bis sechs Beaufort aus West, da brauchte es noch gar keinen Regen, um nass zu werden. Es gab einige, die bei diesen Bedingungen so richtig in Fahrt kamen, einige andere hatten zuerst mal alle Hände voll zu tun, um ihr Schiff auf die neuen Bedingungen einzutunen.

Um das Ergebnis des Tages vorweg zu nehmen: es blieb weit hinter den Erwartungen zurück, am Ende hatten wir eine Wettfahrt gesegelt. Was genau schief gegangen war – schwer zu sagen. Die erste Wettfahrt lief bis zum ersten Leegate; dort wurde dann „M“ auf einem Boot der Wettfahrtleitung gezeigt, doch da nach wie vor zwei gelbe Bahnmarken lagen, fuhren wohl einige nicht um das Boot, sondern um die Tonnen. Kurz darauf wurde die Wettfahrt abgebrochen. Der zweite Versuch begann mit einer etwas kurz geratenen Startlinie, die mehrere missglückte Startversuche provozierte. Dann ging es unter „U“ los in die zweite Wettfahrt des Tages, die aber ebenfalls abgeschossen werden musste, weil mittlerweile der Wind nach dem Durchlaufen der ersten Böe bei noch deutlich stehender Welle so stark nachgelassen hatte, dass am Ende alle Schiffe auf der Kreuz nur noch auf der Stelle schaukelten. Die „Ylva“ mit der Kipcke-Crew an Bord wurde ohne Fahrt im Schiff von dem Gewell so abgedreht, dass sie eine Halse fuhren und neu zur Kreuz ansetzten – ohne dabei auch nur das Geringste gegenüber den anderen Booten zu verlieren.
Inzwischen waren Regen und Temperatursturz bei uns angekommen, das Warten auf den nächsten Start war damit nicht mehr so angenehm.
Und es ging noch einmal los, mit weniger Wind, aber inzwischen war auch die Welle soweit zurückgegangen, dass kein Missverhältnis mehr bestand. Das Feld ging auf die Bahn, es lief über zwei Runden bis zum letzten Leegate. Dort hätte man die Wettfahrt am besten abkürzen sollen, denn die Zielkreuz geriet leider wieder zu einer schaukeligen Sache, der Wind hatte nun soweit abgeflaut, dass die Welle wiederum zu stark war. Und die Segel waren überall noch nass, so dass viele aufgrund der am Tuch klebenden Spione gar nicht merkten, dass der  Wind plötzlich aus südlicher Richtung kam. Die Wettfahrtleitung merkte es leider auch nicht. So warf die Zielkreuz dann noch einmal einiges durcheinander, einige Segler waren zu Recht frustriert, andere freuten sich über eine glücklich errungene gute Platzierung.
Die „Jule“, GER 764 mit Regina Heick am Steuer und Günter Dörband und Ulrike Wolfrom an den Schoten wurde Tagessieger – die Kipcke-Crew, auf der letzten Kreuz scheinbar völlig ins Abseits gefahren, zeigte jedoch, dass Wettfahrten immer erst im Ziel gewonnen werden. Auf den letzten Metern holte die „Ylva“ so viel auf, dass sie wieder unter die ersten fünf fuhr – dieses Boot erinnert an eine Katze, die immer auf die Füße fällt.
Nach dem Ende dieser ersten Wettfahrt des Tages war eigentlich noch Zeit, um eine zweite zu fahren; deshalb gingen alle davon aus, dass bei nun wieder auffrischendem Wind es noch einmal auf die Bahn gehen würde. Doch zur Überraschung aller setzte die Wettfahrtleitung AP über A.
Abends fand dann in der Eilguthalle der Festabend statt. Während die Segler sich drinnen über das gute Essen hermachten, regnete es draußen fast ununterbrochen in Strömen – so sehr, dass die, die ihr Schiff nicht mit Persenning abgedeckt hatten, am nächsten Tag Wasser auspumpen mussten, das fast bis unter die Bodenbretter der Kajüte stand.

Manche hatten ja aufgrund der Wetterprognosen schon geunkt, der Freitag würde nichts Brauchbares mehr bringen – die Front war durch, „Erst der Wind und dann der Regen“….
Doch wir liefen ein letztes Mal aus. Das erste, was wir sahen, war eine Windhose über den Schweizer Voralpen. Oha! Doch es kam nichts Bedrohliches herüber in die Lindauer Bucht. Es gab nur wieder eine leichte Brise aus Nordost, die noch für eine sechste Wettfahrt reichte, zum Glück ohne allzu viel Wasser von oben.
Die Wettfahrtleitung hatte offenbar noch Hoffnung auf einen siebenten Lauf, doch es zeichnete sich bald ab, dass diese Hoffnung vergeblich sein würde. So gab es unter dichten Wolken und kaum merklichem Luftzug zum letzten Mal AP über A. Während die erste Gruppe gleich in Richtung Zech an den Kran steuerte, schlich sich der Rest des Feldes unter eigenen Segeln in den LSC-Hafen.

Die Siegerehrung im Dachboden begann, nachdem der erste Schwung Boote schon auf den Trailern stand, bei wieder besserem Wetter. Sie wurde getragen von der guten Stimmung der Segler, die fast alle der einhelligen Meinung waren: es hat sich gelohnt, so weit zu fahren. Das Revier, die Stadt, der Hafen, die Organisation – alle haben dazu beigetragen, dass diese Jubiläums-IDM lange in guter Erinnerung bleiben wird.

Herzlichen Dank auch von der Flotte Bodensee an alle: die Organisatoren und Helfer des Lindauer Seglerclubs, alle Vermesser, Mitglieder der Jury, Kranführer, Köche und Grillmeister, Bierspender und -ausschenkende – und nicht zuletzt alle Segler, die sich sportlich und ohne Murren in aller Frühe zum Segeln bereitfanden und es ebenso sportlich nahmen, als es sich dann als vergeblich erwies… die sich gegenseitig halfen, sei es beim Anlegen in (teilweise) Dreier-Reihen, beim Grundtrimm von Mast und stehendem Gut, beim Anlegen von Verbänden oder dabei, nach einem unfreiwilligen Bad in Vollmontur wieder ins Trockene zu kommen.

Es macht Freude, in so einem Feld segeln zu dürfen!
Text: Erika Beyerle, GER 220
Foto: Tadjana Widmer