Das Folkeboot

WAS IST EIN FOLKEBOOT?

Das Folkeboot ist ein Langkielboot mit definierten Bauvorschriften aus Holz oder GFK. Seine Baumaße, Segelfläche und Materialien werden in den Bau- und Vermessungsvorschriften (Class Rules) von der Internationalen Klassenvereinigung (NFIA) genau geregelt und überprüft. Es zählt somit zu einer Einheitsklasse mit weltweit vergleichbaren Booten.Das Folkeboot eignet sich gleicher Maßen zum sportlichen Regattieren, wie zum erholsamen Fahrtensegen. Es ist starkwindsicher und familientauglich. Mit knapp 2 Tonnen Gewicht ist es noch trailerbar und kann mit überschaubarem Aufwand für Urlaubstörns auch gut in andere Segelreviere gebracht werden.

Es ist schneller als es aussieht …… und wir haben schon manches Dickschiff – zu dessen Erstaunen – hinter uns gelassen …….

Tradition: Seit 1942
Dimensionen: L 7,64 x B 2,20 x T 1,20 m
Gewicht:
 ca. 1.930 kg
Segelfläche: 24 m²
Masthöhe: 10,75 m über dem Wasser

Mitgliederzahl Flotte Bodensee:
 ca. 120
Schiffe am Bodensee: ca. 80

Ranglisten-Regatten in 2015:  37 (34 in GER, 2 in DK, 1 in SWE)

 

Die Gechichte des Nordischen Folkebootes

von Klaus Kramer

Der Folkeboot-Artikel erschien in leicht veränderter Form unter dem Titel ‚The Nordic Folkboat – A Racer-Cruiser for the People‘ in dem amerikanischen ‚Wooden Boat Magazine‚ sowie als dreiteilige Dokumentation ‚Das Nordische Folkeboat – Geschichte einer internationalen Einheitsklasse‘ in der deutschen Segelsportzeitschrift ‚Der Palstek‚.

Die Vorgeschichte der nordischen Einheitsklasse

Anfang Oktober 1938 rollten in der Retortenstadt Wolfsburg die ersten ‚Volkswagen‘ vom Band. „Jedem Deutschen sein Auto“ hieß die offizielle Devise. Die Kaufsumme für den dunkelgrünen Jedermannswagen wurde staatlicherseits auf 990 RM festgesetzt. Sie sollte von jedem Bürger mit Hilfe der nationalsozialistischen Organisation ‚Kraft durch Freude‘ mit fünf Reichsmark pro Woche angespart werden können. Das soziale Engagement schuf dem Regime Freunde.

Nur elf Monate später zeigte die Wolfsburger Brut ihr wahres Gesicht. Die volksfreundliche Idee des ‚Kraft-durch-Freude-Wagens‘ war Vorwand. Tatsächlich waren Bestien im Schafspelz in Großserie gegangen. Am 1. September 1939, 4.45 Uhr eröffnete das deutsche Linienschiff SCHLESWIG-HOLSTEIN im Danziger Hafen das Feuer auf die polnische Enklave Westerplatte. Bomben fallen. Siebenundfünfzig braune Divisionen – u.a. mobil dank Wolfsburg – walzten in einem bisher nie dagewesenen Blitzkrieg die deutsch-polnische Grenze nieder und knechteten Polen. Der II. Weltkrieg hatte begonnen. Von nun an sollte das Automobil allein dem uniformierten Teil der Bevölkerung vorbehalten bleiben. Lediglich 630 zivile KdF-Wagen wurden bis Kriegsende ausgeliefert – dagegen rollten in Tag- und Nachtschichten Großserien militärischer Kübelwagen von den Wolfsburger Bändern.

Während des Krieges kam der private Segelsport in Deutschland nahezu vollständig zum Erliegen.

Anders in den skandinavischen Ländern. Wenn auch eingeschränkt und nur innerhalb abgesteckter Zonen konnte hier zunächst weiter gesegelt werden. Entsprechend blieb hier auch eine rege Neubautätigkeit erhalten.

Tiefgreifende Einschränkungen hatte in den Skandinavischen Ländern allein der Segelsport in Finnland zu verzeichnen. Das Land musste sich im ‚Winterkrieg‘, von November 1939 bis März 1940, gegen seinen übermächtigen Nachbarriesen Rußland behaupten.

Obwohl die Segler der Nordischen Länder durch ein gemeinsames Parlament, dem Skandinavisk Seijlervorbund, bestehend aus der norwegischen Kongelig Norsk Seilförening (K.N.S.), dem Königlich-Dänischen Yacht-Club, dem Schwedischen Seglerverband (Kungl. Svenska Segelsällskapet, K.S.S.S.) und dem Finnischen Seglerverband, vertreten wurden, existierte bis Ende der 30er Jahre in Skandinavien kein allgemeingültiges Klassensystem.

Finnlands verbreitetste Rennklasse war z.B. das Haiboot. Dieses Boot war jedoch in den übrigen Ländern kaum bekannt. An der Schwedischen Ostküste segelte der kostspielige Schärenkreuzer und eine große Zahl 5-m-R-Yachten, während in Schwedens Westen die 6-Meter-Klasse und der Drachen überwogen. Wollten schwedische und finnische Segler in gleichwertigen Booten miteinander regattieren, so blieben ihnen allein die 5- oder 6-Meter-Klassen als gemeinsamer Nenner.

Die norwegischen Segler bevorzugten wiederum Johan Ankers Drachen sowie die 6-Meter-R-Kasse. In Dänemark dagegen begann gerade Baron Wedell-Wedellsborgs Einheitsklasse der W-Boote aufzuleben, und zog die besten dänischen Sechser-Segler ab. Daneben existierte in Dänemark eine mit rund vierzig Einheiten rege Drachenflotte. Die lokalen dänischen Spitzgattklassen hatten überhaupt kein Pendant in den Nachbarländern. Kurzum, es gab in den skandinavischen Ländern tatsächlich nur wenig Gemeinsames.

Voll Neid schauten die nordischen Segelsportfunktionäre nach Deutschland, wo innerhalb der großen Segelverbände geschlossene Systeme überregionaler Bootsklassen existierten.

1939 versah der Skandinavisk Seijlervorbund den bekannten schwedischen Segelsportjournalisten Erik Pallin mit einem Reisestipendium aus der Haglind-Stiftung und schickte ihn auf eine Rundreise durch Europa. Er sollte die Kleinbootklassen der europäischen Segelsportländer studieren und auf ihre allgemeine Brauchbarkeit für den Skandinavischen Segelsport hin untersuchen. Pallin kam auf seiner Reise zu der Erkenntnis, dass die preiswerten europäischen Jollenklassen für den skandinavischen Segler keinesfalls in Betracht kommen können: Jedes Revier erfordere seine eigenen Bootstypen. Es sei somit auch unmöglich ein Rennboot für die ganze Welt zu schaffen. – Eine klare Absage an die internationalen Meterklassen.

Auf dem skandinavischen Seglertag im Herbst 1939 verlangte C.G. Fast, Mitglied der Königlich Gotenburgischen Segelvereinigung (K.G.S.S.), man müsse eine eigene gesamtskandinavische Einheitsklasse ins Leben rufen. Das neu zu erschaffende Boot sollte größer und wohnlicher sein als Johan Ankers Drachen, der in jenen Jahren die am weitest verbreitetste Bootsklasse in Schweden bildete. Das neue skandinavische Volksboot müsse so billig und einfach in Großserie herzustellen sein, dass es sich Jedermann in Skandinavien leisten könne. Die friedliche Idee des ‚Kraft durch Freude Wagens‘ hatte der Gotenburger damit auf das Yachtsegeln übertragen.

Fasts Idee fand bei den Delegierten breite Zustimmung und man diskutierte ausgiebig welche der bestehenden Klassen als gesamtskandinavische Klasse in Frage kommen könnte. Da man keinen gemeinsamen Nenner fand, wurde die ganze Angelegenheit zunächst vertagt.

Wenige Monate später, am 9. April 1940, marschierten Hitlers Truppen mit der ‚Unternehmung Weserübung‘ in Dänemark ein, überrollten Norwegen und sicherten die dortigen natürlichen Erzvorkommen für das Reich. Das neutrale Schweden und Finnland blieben zunächst noch unbehelligt.

Der nächste Nordische Seglertag tagte im Herbst 1940 in Helsinki. Segelfunktionäre aus den besetzten Regionen mussten für ihre Ausreise nach Helsinki eine Sondergenehmigung beantragen.

Während Europa brannte, Hitlers Panzer in Rußland rollten, griff Fast die Idee von der gemeinsamen Einheitsklasse für Alle in Helsinki erneut auf. Sven Salén, Reeder der schwedischen Salén-Linie und Commodore des Schwedischen Seglerverbandes Kungl. Svenska Segel Sällskapet, K.S.S.S., unterstützte ihn hierbei vehement. Salén war ein erfolgreicher 6-m-R-Yacht-Segler und experimentierfreudiger Geschäftsmann, der seine erfolgreiche Reederei damals aus dem Nichts heraus aufgebaut hatte. Fast wie Salén waren davon überzeugt, dass zur Schaffung einer gesamtskandinavischen Klasse ein internationaler Konstruktionswettbewerb ausgeschrieben werden musste.

Auf einem eigens hierfür einberufenen Treffen im neutralen Stockholm entwarfen die nordischen Segelfunktionäre Salén (Schweden), Niels Benzon (Dänemark), der dänische Konstrukteur Baron Weddell-Weddellsborg, Ing. Bothén, Ing. Stenbäck (Finnland), Marinedirektor Herlin und Ing. Jacob M. Iversen (Schweden) die endgültigen Wettbewerbsziele. Die hier erarbeiteten Forderungen wurden in sämtlichen skandinavischen Segelzeitschriften veröffentlicht.

Das gesuchte Boot sollte einfachst und möglichst billig zu bauen sein. Es müsse ausreichend Schlafplätze und Wohnraum für drei bis vier Personen bieten. Entsprechend den Möglichkeiten der Zeit sollte es aus einheimischen Hölzern bestehen. Als Ballast war Eisen vorgeschrieben. (Blei war kriegswichtiges Gut. Man benötigte es, um sich gegenseitig damit umzubringen.)

Die Königlich Schwedische Segelgesellschaft war bereit, den Wettbewerb durch den Bau von zwei Prototypen, nach Rissen der Preisträger, zu unterstützen.

59 (58) Bauvorschläge gingen aus sämtlichen nordischen Ländern ein. In den Einzelstaaten wurde zunächst eine nationale Vorauswahl getroffen. Die besten Einsendungen wurden der Jury vorgelegt. Die unerwartet große Teilnahme an dem Wettbewerb verzögerte die Auswertung erheblich. Erst aufgrund einer abschließenden Sitzung am 12. -13. September 1941 konnten die Wettbewerbsergebnisse veröffentlicht werden.

Folgendes gab die Jury bekannt:

“ 1. Ein erster Preis konnte nicht vergeben werden.

  1. Der zweite und dritte Preis werden aufgeteilt. Es erhalten Knud Olsen aus Præstø für seine SVANE und Ing. Jacob M. Iverson aus Stockholm für den Entwurf seiner VEGA II jeweils 900 DKr.
  2. Der vierte und fünfte Preis werden zu gleichen Teilen aufgeteilt. Alfons Kvarnstrøm, Finnland, erhält für seine INGER und O.W. Dahlstrøm, Kopenhagen, für den Entwurf der SNIPAN jeweils 500 DKr.

Abschließend ließ die Jury verlauten: „Das Komitee ist der Ansicht, dass sich keine der eingesandten Zeichnungen in unveränderter Form als Grundlage für den Bau des Nordischen Folkebootes eignet. Daher wird es notwendig sein, vollkommen neue Baupläne nach exakten Vorgaben, bestimmt durch Eindrücke und Erfahrungen, die das Schiedsgericht bei dem vorangegangenen Wettbewerb gewonnen hat, auszuarbeiten.

Die beiden zweiten Preise kommen den Vorstellungen des Komitees am nächsten. Wogegen der vierte und fünfte Preis sehr wohl als gute Vorschläge anzusehen sind, jedoch für ein wirkliches Volksboot als zu teuer angesehen werden müssen.“

Ergänzend zu den Entwürfen der Preisträger, beschloss die Kommission auch die eingereichten Pläne der VI SKA SEGLA und der NORDAVIND für je 300 DKr anzukaufen, da auch sie interessante Details enthielten.

Prof. Ljungberg, Baron Wedell-Wedellsborg und Ing. Stenbäck wurden schließlich beauftragt die Pläne für das geforderte Volksboot zu entwickeln. Es wurde ausdrücklich bestimmt, dass der endgültige Entwurf nicht mit dem Namen eines bestimmten Konstrukteurs in Verbindung gebracht werden dürfe. Rechtlicher Eigentümer und Schöpfer des Nordischen Volksbootes sollte allein der Skandinavisk Seijlerforbund sein. Nur so konnte der Nordische Seglerverband frei über die Baulizenzen verfügen, die Pläne kostengünstig an Interessierte weitergeben und die Bootsklasse bei Bedarf modifizieren. Die Bauzeichnungen wurden, nach Vorgaben der Dreierkommission, von Tord Sunden angefertigt. Sunden war damals Amateur-Yachtkonstrukteur und Technischer Zeichner an der Ericson-Werft. Er war hier in erster Linie mit der Konstruktion von Schiffsschrauben beschäftigt.

Für das neu kreierte Nordiska Folkebåten hatte man den Plattgattrumpf von Knud Olsens SVANE übernommen und ihn proportional verlängert. Die Form und der Winkel des SVANE-Achterschiffs wurden weitestgehend beibehalten. Der stämmige Vorsteven der SVANE erhielt entsprechend dem VEGA II-Riss mehr Überhang und wurde, gefälliger gestaltet. Von Iversen und Olsen übernahm man auch die Klinkerausführung des Rumpfes.

Geklinkerte Rümpfe waren einfacher und billiger herzustellen als kraweel beplankte. Sie eigneten sich ausgezeichnet für den Großserienbau über Mallen und ergaben, bei gleicher Plankenstärke, eine höhere Rumpffestigkeit. Sie waren sowohl für Einzelbauten in kleinen Bootsbauwerkstätten, wie auch für den Großserienbau in größeren Werften geeignet. Nicht zuletzt spielte eine Rolle, dass der Klinkerbau die traditionelle nordische Schiffbauweise war, und dass das Gedankengut der alten Wikinger und nordische Gepflogenheiten in der Ideologie jener Zeit Hochkonjunktur hatten.

Noch bevor die ersten Pläne des neuen Nordischen Folkebootes vorlagen, waren aus ganz Schweden bereits achtzig Bestellungen eingegangen, die auf Frühjahr 1942 terminiert waren.

Die endgültigen Zeichnungen und Bauvorschriften des Nordischen Folkebootes wurden im Spätsommer 1941 durch den Skandinavisk Seijlerforbund veröffentlicht. Die Linien ähnelten auffallend jenen der dänischen K.D.Y.-Junioren-Klasse, die Aage Utzon im Jahre 1927 gezeichnet hatte. Das Folkeboot war lediglich 0,64 m länger und zeigte im Verhältnis zur Gesamtlänge eine größere Breite in der Wasserlinie. Außerdem besaß das Juniorboot eine im Verhältnis kleinere Segelfläche.